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2010

Freiburg

Kurzfassung der vergangenen 125 Jahre Blaues Kreuz in Deutschland e.V. Ortsverein Freiburg

(und Auszüge aus der Festschrift)

Der erste Temperenzverein der evangelischen Stadtmission Freiburg 1885
Auch die 1882 gegründete Evangelische Stadtmission in Freiburg sah die Sorge um alkoholgefährdete Menschen von Anfang an als eine ihrer Aufgaben an. So hieß es in einer Selbstbeschreibung der Stadtmission in einem Spendenaufruf vom 25. Mai 1883:

„ … Wer nur einigermaßen die Notstände unserer Zeit kennt, wird ermessen, wie viel Elend vermieden werden kann, wenn eine möglichst große Anzahl junger Leute durch uns vom abendlichen Straßen- und Wirtschaftsleben abgehalten wird.   …“

Daher unterstützte die Stadtmission zwei Jahre später auch einen Vortrag, den der Berner Pfarrer Arnold Bovet, der wichtigste Mitarbeiter von Louis-Lucien Rochat und Präsident der Schweizer Blau-Kreuz-Vereine, am 02. März 1885  -  wahrscheinlich sogar auf Einladung von Christian Adam Mez und Stadtmissionar Theodor Hickel – in Freiburg hielt. Vermutlich rief Bovet die Zuhörer dazu auf, sich zur Abstinenz zu verpflichten. Jedenfalls unterschrieb an diesem Abend erstmals ein Freiburger Alkoholiker eine Enthaltsamkeitsverpflichtung für drei Monate.
In demselben Haus wie dieser Mann wohnten noch zwei Männer, die dem Trunke ergeben waren. Die Angehörigen dieses Trinkers merkten schnell, dass es in der Familie des ehemaligen Trinkers so ganz anders geworden ist. Statt Streit und Zank nun Frieden. Die Angehörigen wurden, um ihre Männer und Väter zu retten, ebenfalls Abstinenten.

Aus diesem so entstandenen Kreis bildeten Stadtmissionar Hickel und Adam Mez dann einen Abstinenz- und Temperenzverein, dessen Vorsitzender Hickel wurde. Das war 1885, dem heutigen Blauen Kreuz Freiburg.
Als sich die Stadtmission 1886 wieder mit einem Spendenaufruf „an die evangelischen Christen Freiburgs“ wandte, wurde es erstmals ausdrücklich zu den Aufgaben der Stadtmission gezählt. „Trinker auf den rechten Weg zu führen“. Damals sprach man einfach von „Temperenzverein“ (Mäßigungsverein), obwohl es sich eigentlich um einen Abstinenzverein handelte.
In den späteren Jahren waren diese Begriffe nicht mehr austauschbar, weil es zu ideologischen Grundsatzdebatten zwischen Mäßigungs- und Abstinenzvereinen gekommen war. Die Freiburger Gruppe um Theodor Hickel wurde in den Mitteilungen des Schweizer Blauen Kreuzes zwar mindestens seit 1890 als Blau-Kreuz-Verein bezeichnet, doch in Freiburg selbst scheint man sich aber bis um die Jahrhundertwende nur allgemein als „Temperenzverein“ bezeichnet zu haben. Der Begriff „Blaues Kreuz“ schien für die hiesige Öffentlichkeit wohl noch zu unbekannt gewesen zu sein. Anfangs (1885) traf man sich vermutlich im Evangelischen Stift im neuerbauten evangelischen Vereinshaus in der Hermannstr. 6. Ab 1898 gab es außerdem vorübergehend in Haslach im Haus eines Mitglieds eine weitere Versammlung. Die zweimal wöchentlich im Evangelischen Vereinshaus stattfindenden Versammlungen waren „Temperenzbibelstunden“ mit bis zu 40 Mitgliedern.

Adam Mez, der Hickels Engagement als Mitglied des Vorstands der Stadtmission von Anfang an unterstützt hatte, blieb dem Abstinenzgedanken verbunden. Schon 1886 versuchte er, im Verwaltungsrat des Evangelischen Stifts die Errichtung einer alkoholfreien Speisehalle zu erreichen, was ihm 1896 gelang. Dort wurde im Erdgeschoss des Hauses Herrenstr. 7, das zum Evangelischen Stift gehörte, eine alkoholfreie „Kaffee- und Speisehalle“ eröffnet.

Im Juni 1903 verstarb Stadtmissionar Hickel nach langjähriger Krankheit. Der zweite Stadtmissionar Christian Eckard war schon zu Jahresbeginn als Prediger zum ev. Vereinshaus gegangen, das in dieser Zeit von einem reinen Versammlungshaus, in dem auch die Stadtmission stark engagiert gewesen war, zu einer Gemeinschaft umgebildet wurde. Eine neue Gemeinde, die sich endgültig 1904 konstituierte, war aus einem jahrzehntealten, von Adam Mez und den Stadtmissionaren geleiteten „Bibelkränzchen“ hervorgegangen.
Durch den Tod von Stadtmissionar Hickel und den Weggang von Stadtmissionar Christian Eckard entstanden bei der Stadtmission die Krisenjahre. Erst im Januar 1904 kam Stadtmissionar Kohn nach Freiburg. Er konnte seine Arbeit wieder in größerem Umfang aufnehmen, nachdem der Stadtmission der Saal des neugebauten „Jünglingsheim“ des Ev. Stifts zur Verfügung gestellt worden war. Kohn sollte sich vor allem um den neugegründeten „Ev. Jünglingsverein der Stadtmission“ kümmern, aber auch um den im Frühjahr 1904 aus dem Vereinshaus in Jünglingsheim überführten Blau-Kreuz-Verein:

„… Den größten Teil seiner Kraft widmete Kohn der Blau-Kreuz-Sache, für welche er ein warmes Herz und großes Geschick hatte. So wurde dieser Zweig seiner Arbeit, einst von Hickel mit großer Liebe betrieben, wieder aufgenommen. …“

Er legte –wohl als erster- Mitglieds- und Verpflichtungsbücher an, warb für den Verein in den „Kirchlichen Mitteilungen“ und organisierte 1905 ein Jahresfest des Blauen Kreuzes. In seiner Zeit trat der Verein dem Deutschen Hauptverein des Blauen Kreuzes (damals in Barmen, heute Wuppertal) bei. Dieser Schritt ging beim damaligen Vorstand vielleicht zu weit. Jedenfalls kam es nach zwei Jahren zum Zerwürfnis zwischen dem Komitee der Stadtmission und Kohn. Ihm wurde vorgeworfen, er habe sich nur auf die Blau-Kreuz-Arbeit konzentriert und die Jugendarbeit vernachlässigt. 1906 brachte Kohn das Blaue Kreuz wieder ins Vereinsheim zurück. 1907 verließ Kohn Freiburg.

Das Blaue Kreuz in Freiburg blieb vorerst unter der Führung der evangelischen Stadtmission Freiburg. Die Stadtmission verfügte seit 1907 über eigene Räumlichkeiten (Paulussaal). Der Vorstand des Blau-Kreuz-Vereins (er fühlte sich mehr dem Vereinshaus verbunden als der Stadtmission) befürchtete, dass der Vereinsleiter Karl Isler den Verein „wieder näher der Stadtmission zuführen sollte“. Er empfahl Karl Isler, dem Verein fernzubleiben. Daraufhin gründete Karl Isler einen zweiten Verein. Dieser neue Verein trat dem Deutschen Bund der evangelisch-kirchlichen Blau-Kreuz-Verbände bei. Der „alte“ Blau-Kreuz-Verein bestand weiterhin. Dieser war beim rührigen Deutschen Hauptverein angeschlossen.

Die Blau-Kreuz-Gruppe unter Karl Isler wurde stetig größer und wuchs auch nach dem ersten Weltkrieg. Auch das Verhältnis zur Stadtmission wurde wieder besser und auf „Beschluss“ der Stadtmission wurde 1920 die Aufnahme des Blau-Kreuz-Vereins in den Deutschen Hauptverein empfohlen, wohlwissend, dass der Verein neben der Stadtmission gleichzeitig einer auswärtigen Zentrale unterstand.

Die 1920er und 1930er Jahre - eine Blütezeit des Vereins
Den Höhepunkt an Mitglieder erreichte der Verein 1928: 120 Mitglieder und 73 verpflichtete „Anhänger“ und 10 abstinente Gefangene. Ein Resultat der Arbeit von Karl Iler (seit 1925 hielt er im Gefängnis Vorträge)

Ab 1920 gab es die Blau-Kreuz-Kindergruppe „Hoffnungsbund“

Inflationszeit

Während der Inflationszeit (Beispiel 24.September 1923) kostete der Mitgliedsbeitrag bis zu 100.000,-- Mark!

Die Zeit des Nationalsozialismus
Die NS-Diktatur hatte zunächst kaum Folgen auf die Arbeit des Vereins des Blauen Kreuzes zu haben. Die Anzahl der betreuten Trinker scheint (1938 waren es 70) sich zunächst noch erhöht zu haben. Doch an Ostern 1937 fand die letzte große Veranstaltung des Vereins an: Blau-Kreuz-Gaukonferenz. Ab 1938 scheinen die Aktivitäten des Blauen Kreuzes eingestellt worden zu sein. Nur Bibelstunden und einzelne Lichtbildvorträge wurden noch abgehalten.
Es folgten Zeiten der „Aufklärungen, Mission, Zuwendung“, Bibelstunden, Lichtbildervorträge und Blätterarbeit

 

1948 Die ersten Nachkriegsjahre
Islers Engagement bei den Hilfen für Schweizer Bürger in Baden dauerte auch in den ersten Nachkriegsjahren noch an. Es entsprach nicht ganz den Aufgaben der Stadtmission, aber man fühlte sich schon allein aufgrund der großzügigen Spenden, die der Stadtmission von Schweizer Freunden immer wieder für ihre Gebäude zuteil geworden waren, dazu verpflichtet. Erst ab 1948 scheint es nach dem Krieg wieder regelmäßige (monatliche) Versammlungen gegeben zu haben. Später musste Isler sein Amt krankheitsbedingt abgeben: 1953 übernahm kommissarisch Alfred Veyhelmann das Amt, das offiziell Otto Werner ab 1954 innehatte. Karl Isler starb  im Januar 1955.

1954 – 1959 Eine schwierige Übergangszeit
Der Blau-Kreuz-Verein war mit der Stadtmission nicht nur durch den Vorsitz des Stadtmissionars verbunden, auch andere Mitarbeiter, die Vereinsmitglieder waren, gehörten (zumindest seit 1925) automatisch dem Vorstand an. Dies führte zu Spannungen und Otto Werner dankte 1959 ab. Sein Nachfolger Karl Pfannendörfer übernahm den Vorsitz.
Die Stadtmission  setzte 1965 einen hauptamtlichen „Trinkerfürsorger“ ein. Gleichzeitig wurde dem Verein die Räumlichkeiten zum 01. Oktober gekündigt. Es wurde ein neuer Vereinsvorsitzender gewählt: Wilhelm Fassnacht. Er brachte es fertig, dass der Blau-Kreuz-Verein in einem Jugendraum im Keller des Paulussaals (Paulusgemeinde) unterkam. Auf Vorschlag der Stadtmission kehrte der Blau-Kreuz-Verein 1966 in die Adelhauserstraße zurück. In den Folgejahren konnte der inzwischen auf 16 Mitgliedern geschrumpfte Blau-Kreuz-Verein kaum an Mitgliedern gewinnen.

 

1972 Am Rande der Auflösung des Blau-Kreuz-Vereins Freiburg
Bernd Fillinger  übernahm 1972 den Vorsitz. Bei nur noch sechs Mitgliedern stand die Frage im Vordergrund: Auflösung ja oder nein. Bernd Fillinger und sein Team waren entschlossen, diese „Durststrecke“ zu überstehen und weiterhin für die Sache da zu sein. Die strengen Regeln wurden aufgeweicht. Die Vortragsreihen wurden teilweise durch offene Selbsthilfegruppen mit christlicher Orientierung ersetzt und ergänzt. Schon 1973 kamen langsam die „nassen“ Alkoholiker wieder, die bis dahin jahrelang nur außerhalb der Blau-Kreuz-Stunden zustande gekommen war, in denen die Helfer leider unter sich geblieben waren. Über zwei Jahrzehnte waren Bernd Fillinger und sein Team mit ideenreichen, flexiblen und guten Beziehungen aktiv. Hausbesuche wurden abgehalten, die von „Rausschmiss“ bis zur heiteren Atmosphäre reichten und zum Teil die ungebetenen Besucher zum Bleiben „genötigt“ wurden. Auch die Gespräche im Gefängnis wurden intensiviert. Das Team steckte auch „privates“ Vermögen in den Verein. Anfang der 1990er Jahren zählte das Blaues Kreuz in Deutschland e.V. Ortsgruppe Freiburg 30 bis 35 Gruppenteilnehmer; etwa 80% „nasse“ Alkoholiker. Mehrtägige Freizeiten und Ausflüge (meist in Blau-Kreuz-Heime in der Schweiz) wurden unternommen. Familienabende mit Grillfeste wurden veranstaltet.

 

1977 und 1984 Dreiländertreffen und Landeskonferenzen
Bei den Dreiländertreffen unter dem Motto „Freundschaft ohne Grenzen“ wurden „grenzenlose“ Kontakte zu schweizerischen und elsässischen „Blau-Kreuzlern“ geschnürt.
Landestreffen, die heute „Tag des Blauen Kreuzes“ genannt werden, eröffneten oft grenzüberschreitende Kontakte. 1977 und 1984 fanden solche Treffen in Freiburg statt.

 

1989 die Psychosoziale Beratungsstelle der Ev. Stadtmission
1971 hatte eine Art evangelische Suchtberatungsstelle durch den Stadtmissionar Manfred Geisler gegeben, die jedoch 1976 aufgrund einer Gesetzesänderung aufgegeben werden musste. Der Ortsverein Freiburg des Blauen Kreuzes in Deutschland e.V. suchte eine andere Vermittlungsinstanz: Die Caritas. Die Caritas selbst empfahl dem Blauen Kreuz, eine evangelische Suchtberatungsstelle in Betracht zu ziehen, was aus finanzieller Sicht scheiterte. Etwa zwanzig Jahre später entwickelten sich Pläne, das Blaue Kreuz und die ev. Stadtmission Freiburg e.V. unter Leitung von Sozialarbeiter Willi Vötter eine Suchtberatungsstelle entstehen zu lassen. Mit Hilfe des Dekans Ronecker gelang es schließlich, eine Beratungsstelle einzurichten. Ort der Beratungsstelle: In der Fischerau 32, wo auch das Blaue Kreuz in Deutschland e.V. Ortsverein Freiburg seine Bleibe fand. 1993 zogen beide Institutionen in neuen Räume: Lehener Straße 54a.

1991 Einrichtung der Kirchzartener Gruppe.

 

1993 Umzug in die Lehener Straße und neuer Vorsitz des Ortsvereins Freiburg
Im gleichen Jahr des Umzugs der Suchtberatungsstelle der ev. Stadtmission Freiburg e.V. und des Ortsvereins des Blauen Kreuzes wurde der Leiter der Suchtberatungsstelle Willi Vötter zum neuen Vorsitzenden der „Blauen Kreuzes Freiburg“ gewählt. Unter seiner 14-jährigen Leitung wurden die Gruppen- und Mitarbeiterstrukturen des Blauen Kreuzes in Freiburg positiv und nachhaltig verändert.

1996 Die Kirchzartener Gruppe wird eine Selbsthilfe-Gruppe
Innerhalb des Blauen Kreuzes in Deutschland e.V., Ortsverein Freiburg

2002 Landesverbandstreffen in Freiburg (Paulussaal). 
Ausrichter ist das Blaue Kreuz in Deutschland e.V. Ortsverein Freiburg

2002 Der Ortsverein Freiburg spaltet die Freiburger Selbsthilfe-Gruppe
Wegen zu hoher Teilnehmerzahl auf: Einen Teil in eine Dienstags-Selbsthilfe-Gruppe und einen anderen Teil in eine Freitags-Selbsthilfe-Gruppe.

2003 Einrichtung einer Angehörigen-Selbsthilfe-Gruppe beim Ortsverein Freiburg

2007 Manfred Kluth übernimmt den Vorsitz Blaues Kreuz in Deutschland e.V. Ortsverein Freiburg

2008 Die Stadt Freiburg gründet das „KSHN“. 
Bei dem „Kommunales Suchthilfenetzwerk in der Stadt Freiburg“ wird auch das Blaue Kreuz in Deutschland e.V. Ortsverein Freiburg Mitglied. Herr Kluth wird Sprecher aller im KHNS vertretenen Selbsthilfe-Gruppen.

2009 Der Verlauf des Freiburger Blauen Kreuzes wird dokumentiert
In mühselige Kleinarbeit arbeitet im Auftrag von Manfred Kluth (Vorsitzender) vor allem Herr Christoph Weymann mit Unterstützung von Willi Vötter an einer Festschrift, die im nächsten Jahr zur 125 Jahrfeier zum Bestehen des Blauen Kreuzes in Freiburg erscheinen wird.

(Die Bilder im Text auf dieser Seite wurde aus der Festschrift "125-Jahre Blaues Kreuz in Freiburg" entnommen. Für diese Bilder wurden die Zusagen der Veröffentlichung, sofern die Personen noch leben, einholt.)