Offener Brief Manfred Kluth
Ein offener Brief von Manfred Kluth
05. August 2020
Manfred Kluth, bisheriger stellvertretender Vorsitzender des Blauen Kreuzes im Ortsverein Freiburg und seit 2013 Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande schreibt:
Liebe Freunde!
Nach 15 jähriger Vorstandsarbeit im Blauen Kreuz und zuvor 20 Jahre Kreuzbund möchte ich mich von all den Menschen verabschieden , die mir so viele Jahre in zahlreichen Sitzungen zur Seite standen, die mich motiviert und ermutigt und die auch mir viel menschliches aber auch vieles Wissentliches vermittelt haben. Dazu gehören jedoch auch jene, die mir sagten, was ich nicht richtig gemacht habe.
Am 01. August 2020 hatten wir im Blauen Kreuz unsere jährliche Mitgliederversammlung. Ich konnte aus gesundheitlichen Gründen an der Versammlung nicht mehr persönlich teilnehmen. Meine koronare Herzerkrankung und mein Rückenleiden haben mich veranlasst, schriftlich bekannt zu geben, dass ich für eine weitere Kandidatur im Vorstand als stellvertretender Vorsitzender nicht mehr zur Verfügung stehen kann. Auch andere ehrenamtliche Arbeiten muss ich aus gesundheitlichen Gründen beenden. Meine Nachfolgerin als stellvertretende Vorsitzende im Blauen Kreuz in Deutschland e. V. Ortsverein Freiburg wurde Linda Greis gewählt. Petra Schlegel und Linda Greis werden das Blaue Kreuz nach außen und innen vertreten und an den öffentlichen Sitzungen wie Netzwerk und Planungssitzungen der Selbsthilfegemeinschaft zu Saalveranstaltungen teilnehmen. So bleibt das Blaue Kreuz auch in der Öffentlichkeit gut vertreten.
So möchte ich mich von allen hilfreichen Menschen, die in meiner Zeit der aktiven Vorstand-Arbeit im Blauen Kreuz dabei waren, dankbar verabschieden.
Mit freundlichen Grüßen in Verbindung mit den Wünschen, Ihnen allen möge Gesundheit ein Gottes Geschenk, Erfolg beschieden und Menschlichkeit oberstes Gebot sein.
Ihr Manfred Kluth

Lebenswege
Gemeinsam widerstehen
18.01.2016
Unter diesem Motto veröffentlichte die Apotheken-Umschau in ihrer Januar 2016 – Ausgabe einen Bericht, bei dem drei betroffene Menschen von ihrem jeweiligen Schicksal berichten.
Dabei stellen sich immer wieder die Fragen:
- Bin ich Alkoholiker?
- Kann ich den Alkohol besiegen?
- Muss ich es akzeptieren, dass ich ein Alkoholiker bin?
- Kann ich wieder Mensch sein, wie viele andere auch?
- Wie gestalte ich meine freie Zeit?
Der Wort & Bild Verlag Konradshöhe GmbH & Co. KG in Baierbrunn bei München stellte uns diesen interessanten Beitrag für das Internet-Portal des Ortsvereins Freiburg des Blauen Kreuzes in Deutschland e.V. freundlicherweise zur Verfügung.
Gemeinsam Widerstehen
Helfe Dir selbst, dann hilft Dir Gott!
Das klingt so abgedroschen, aber da ist was Wahres dran, das kann jeder glauben, ich habe es selbst durchlebt.
Ich bin Alkoholiker, sagte ich kürzlich zu einem Freund der mich schon seit vielen Jahren kennt. Am 10. Mai 2015 sind es genau vierzig Jahre her, seit ich den letzten Liter Alkohol in mich reingeschüttet hatte.
Und bis dahin, bis zu meinem dreißigsten Lebensjahr habe ich immer wieder vergeblich versucht von dieser Sucht los zu kommen. Alle guten Rotweine hatte ich in mein Herz geschlossen und in meinen Magen geschüttet. Erst genussvoll , dann Eimerweise. Meine Lebensgeschichte möchte ich hier aber nicht erzählen, sondern ich zeige Ihnen - liebe Leser - nochmal den Weg meiner vergeblichen Versuche mein Leben zu retten in dem ich von der Alkoholsucht loskomme.
So uneinsichtig war ich gar nicht. Schon mit 25 Jahren wusste ich, dass ich ein Säufer bin, so hat man mein Verhalten genannt. Beruf und Arbeit hatte ich in Fülle und genauso füllig habe ich auch meine Arbeitsplätze verloren. In meinem Beruf hatte ich an jedem Arbeitsplatz Kost und Logis. Ging der Platz mal wieder verloren, stand ich auf der Straße. Ich fand eine Zeitlang schnell wieder eine neue Stelle, aber die ewige Sauferei machte jeden Neuanfang kaputt. Rückhalt in einer Familie kannte ich nicht, ich hatte nie eine Familie und so gesehen auch nie eine Heimat und ein Zuhause in dem der Mensch aufgeht und verwurzelt ist. Solche Voraussetzungen machten mir das Leben nicht leichter und den Suff zugänglicher, denn das Wirtshaus wurde zu meinem Wohnzimmer.
Manchmal habe ich zwei Wochen lang keinen geliebten Rotwein zu mir genommen. Vielleicht auch, weil ich mal wieder pleite war. Aber das waren die Momente, wo ich immer wieder Gott fragte ob er mir helfen würde. Es war so ein schönes Gefühl, mal wieder nüchtern zu sein und sich allgemein etwas wohler zu fühlen.
Manchmal erinnerte ich mich an die Zeiten im Waisenhaus und an die dort befindliche Bonifatius-Kirche in Baden-Baden-Lichten Tal. Da spielte ein Mann auf der Orgel wunderschöne Melodien. Ich fühlte mich in diesen Augenblicken so glückselig. Mich zog es gerne in Burgen und Kapellen. Auch nach meiner Waisenhauszeit ging ich bei jeder Gelegenheit in eine Kirche und wartete, bis vielleicht jemand auf der Orgel spielt. Manchmal hatte ich Glück und ein kleines Stück Glückseligkeit kehrte in mich zurück.
Einmal probierte ich ein Leben mit einer Freundin und einem Kind aufzubauen.
Es ging daneben. Der Rotwein war stärker die Freundschaft wurde immer schwächer. Danach verbrachte ich einige Jahre wohnsitzlos auf der Straße. In München an der Isar hatte man mich halbtot aufgegriffen. Mein Schlafsack war den kalten Nächten nicht gewachsen und der rote Fusel gab mir den gesundheitlichen Notstand. Ich bekam Krampfanfälle und stank schlimmer als jeder Hühnerstall oder Hundehaufen. Einmal pinkelte ich einem Wirt am frühen Morgen vor die Kneipentür und ein ander Mal wachte ich in einer Küche der mir unbekannten Gaststätte auf, so inmitten einer Galerie Rotweinflaschen und ließ mich dann von der Polizei abführen.
Ich war auch mal wieder nüchtern und ich bekam einen Platz auf dem Oktoberfest. Innerhalb von zwei Wochen -das hatte ich tatsächlich durchgehalten- verdiente ich einen satten Lohn. Das war aber danach mein endgültiger Untergang. Nachdem alles versoffen, teilweise auch geklaut oder verloren war, kam ich von der Straße nicht mehr hoch. Nach weiteren Jahren des Straßenlebens landete ich schließlich in der „Heil und Pflegeanstalt Haar“ bei München und da blieb ich ganze neun Monate. Zeit um alle Stationen des Lebens nochmal zurück zu rufen.
Am Anfang meines Berufslebens hatte ich viel Erfolg, aber eben nur im Beruf. Danach kam immer die große Leere. 1970 kam ich von München nach Freiburg.
Ich musste jedoch spüren, eine Ortsveränderung ist keine Lebensveränderung und so kam es wieder zu Rückfällen und Aufenthalte in entsprechenden Heil- und Pflegehäuser.
Am 10.Mai 1975 versprach ich einer sehr jungen Krankenschwester in der Hauptstraße 5 in Freiburg: “Ich trinke keinen Alkohol mehr und das mein ganzes Leben lang.“ Ich habe mein Versprechen gehalten, aber die Zeit danach war steinig und doch voller Glück.
Viele Schulden aus der Saufzeit waren zu zahlen und ich versuchte in meiner neuen Nüchternheit an die Menschen zu denken, denen es ähnlich ergangen sein könnte. Ich ging in eine Selbsthilfegruppe für Alkoholkranke Menschen. Da bin ich heute noch und das mit mittlerweile 71 Jahren Lebensalter.
Es ist für mich ein Wunder, dieses Alter überhaupt erreicht zu haben. Ich war mir sicher, und das heute noch, dass in dieser Geschichte Jesus Christus seine Hand in meinem Leben hat. In meiner Rückerinnerung wurde mir ganz bewusst, dass ich zwar viele Möglichkeiten verspielt hatte, aber Sucht eine wahrhaftige Krankheit ist, aus der man ohne die Hilfe Gottes und der Menschen nicht herauskommt.
1978 lernte ich meine Frau Inge kennen und sie ist die Wende meines Lebens, Inge wurde mir von Gott geschickt. Sie sagte einmal zu mir, “Wir beide sind auf dem Weg geblieben, aber es waren auch über 30 verrückte Jahre". Und Gott schickte mir nicht nur das Leben, meine Frau, sondern auch die Gabe Selbsthilfe weiterzugeben, an die Menschen die noch dort stehen wo ich einmal war.
Er schenkte mir aber auch die Gabe, schöne Bilder zu malen die ich in Ausstellungen den Betrachtern zeigen darf. Und ich sage zu meinen Besuchern immer: Jedes Bild ist ein Stück von mir“ es ist in mir entstanden und wenn ich es hergebe, dann gebe ich ihnen ein Stück von mir. Behandle es gut!
Im Februar 2013 übergab mir unser heutiger Bundespräsident Joachim Gauck das Bundes-Verdienstkreuz am Bande mit der Bemerkung: “Ich sei ein Brückenbauer und eine Perle unter den Menschen, die mit mir zusammen ihren Weg in die Wahrheit und in den Sinn des Lebens gefunden haben". Für mich war dieser Augenblick der Höhepunkt eines bewegten Lebens, das schon eher einem Orkan gleichkommt. Ich sagte in meiner Schlussrede im großen Gerichtssaal im Freiburger Rathaus: "Ich würde heute nicht hierstehen, wenn meine Frau nicht in all den Jahren dabei gewesen wäre. Meine Inge war auch betroffen und wir gingen unseren Weg gemeinsam. Für alle Hilfe möchte ich unserem Herrn Jesus Christus und allen hilfsbereiten Menschen in den von mir besuchten Selbsthilfe-Gruppen unendlich danken".
In Gottes Namen
Euer Manfred Kluth
Juli 2015
Lebensweg eines Betroffenen

"Stille" von Manfred Kluth