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Alcopops

Alcopops

Scharfer Sprit hinter Süßer Maske

Worum geht es?

Unter dem Namen „Alcopops“ haben sich Mixgetränke wie „Rigo“, „Smirnoff Ice“, u.a. zu einem großen Geschäft für die Spirituosenbranche entwickelt. Harter Alkohol, wie Rum, Wodka oder Whisky wird als vermeintlich harmloser Limonadenmix vermarktet. Mit großem Werbeaufwand wird versucht, dem Trend des fallenden Alkoholkonsums süße und zumeist bunte Getränke entgegen zu wirken. Getränke, die genau den Geschmack der neuen Käuferschicht, den Jugendlichen, treffen. Schon 13 – 15jährige trinken diese schnapshaltigen Produkte regelmäßig und in zunehmenden Maße. „Alcopops“ entwickeln sich damit zu einer neuen Art von Einstiegsdroge.

Rechtliche Situation

Gem. § 9 Abs. 1 JuSchG dürfen branntweinhaltige Getränke nicht an Kinder oder Jugendliche abgegeben werden. Trotz der eindeutigen Gesetzeslage handhabt der Handel die Verkaufsbeschränkungen dieser Getränke unterschiedlich. Begründet wird dies mit dem vermeintlich geringen Alkoholgehalt, der dem von Bier entspricht. .

Süße Bomben

Immer mehr Kinder und Jugendliche trinken bis zum Umfallen. Jetzt will das Bundesgesundheitsministerium mit einer Pilotstudie klären, warum das Koma-Saufen so zunimmt. 56 Vollrausch Kinder hatte Schwester Julia vergangenes Jahr auf der Plastikliege in der Notaufnahme der Kinderambulanz Lörrach. In diesem Jahr waren es bis ende September 30, auch das liegt im Monatsschnitt noch um das Zweieinhalbfache über den Zahlen für 1999. Schon 12-jährige saufen sich ins Koma, eine 13-jährige hält den Jahresrekord in Lörrach, 3,7 Promille, das war im Mai. Die Jugend trinkt – immer früher, immer öfter, immer schneller bis zur Besinnungslosigkeit. Eine Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO bestätige in ihrem deutschen Teil den Trend, dass die heutige Generation härter schluckt als frühere. Besonders dramatisch nimmt das Rausch-Trinken zu, das Wett-Trinken bis zur Alkoholvergiftung. Das Gesundheitsministerium finanziert deshalb seit Juni mit 95.000 Euro das Pilotprojekt „Hart am Limit“ („Halt“): Im Lörracher Suchtpräventionszentrum „Villa Schöpflin“ sollen Pädagogen mit Kindern- und Jugendpsychiatern bis Ende 2004 herausfinden, warum der Nachwuchs säuft bis zum Umfallen – und was man dagegen tun kann. 

Der Anfang ist süß: Alkohol-Party am Beispiel Thomas,17.

Fallbeispiel

Lörrach, 47 000 Einwohner, nichts spricht dafür das hier mehr getrunken wird als in anderen Teilen des Landes. 
So ist es auch Zufall das Thomas, 17, als Forschungsobjekt in der Villa Schöpflin sitzt und erzählt: von einem Mittwoch im vergangenen Dezember; von drei Stunden die ausreichten, um ihn auf 2,6 Promille zu bringen und anschließend in die Kinderambulanz, auf Schwester Julias Plastikliege. Er war abends um zehn zu einem Mädchen im Nachbarhaus gegangen, das Geburtstag feierte, und wollte um halb eins wieder zurück sein. 
Es ging los mit Kirschlikör, zu fünft in der Küche. Ging dann weiter mit Kirschschnaps, 48 Prozent, zu zweit. Bis Thomas irgendwann nach draußen torkelte und nicht zurückkam. Als die anderen merkten, dass er fehlte, hatte er nur noch 33 Grad Körpertemperatur, eine halbe Stunde später, und er wäre tot gewesen. 
Der Fall Thomas ist typisch. 
Das Typische ist, das jeder denkt er sei nicht typisch. „Unser Thomas doch nicht“ dachten die Eltern. „Ich doch nicht“, dachte auch Thomas. Für den Leiter der Lörracher Kinderklinik gehört Thomas nicht zu den Ausnahmen. „Das geht durch alle Schichten, durch alle Bildungsniveaus“. Was die WHO Forscher viel mehr beunruhigt, ist ein Ergebnis aus Nordrhein-Westfalen. 44 Prozent der 15-jährigen Jungen hatten in der neuen Erhebung schon mehrmals einen Vollrausch, 36 Prozent waren es in der letzten Erhebung 1997/98. Bei dem Mädchen ging es von 31 auf 34 Prozent hoch. 
DER ANFANG VOM KOMA IST SÜß. 
„Der Kischlikör war wie Sirup“, erinnert sich Thomas. Ohne den Likör vorweg hätte er sich mit dem Schnaps den Rachen verbrannt, und keinen zweiten mehr herunterbekommen. 
Der Kirschlikör war ein Selbstangesetzter. Die süßen Starter aus der Fabrik enthalten ein Gemisch aus Limonade mit Wodka, Rum oder Tequila, deshalb sind sie auch erst ab 18 Jahren frei. Die Flaschen mit dem Süß-Stoff, Alcopops genant, legten beim Umsatz von 2001 auf 2002 um 474 Prozent zu. Mehr als zehn Prozent der Jungen, mehr als sechs Prozent der Mädchen, leeren mindestens einmal die Woche ein Püllchen, die es auf ein Alkoholgehalt um 5,5 % bringen. 
Für Raphael Gassmann, Vize-Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen, sind die Alcopops die neue Einstiegsdroge. Weil die Bundesregierung genauso denkt, erwägt man eine Abschrecksteuer auf jede Flasche. Das wäre die harte Tour, weil die süßen Verführer die Menschen dann zum Alkohol bringen, wenn sie besonders anfällig sind. Fängt ein 20-jähriger an zu Trinken, dauert es im Schnitt fünf Jahre, bis er an der Flasche hängt. Bei 15jährigen genügen manchmal schon fünf bis sechs Monate. 
Die Endstation heißt dann zum Beispiel Ahlhorn, Niedersachen, Dietrich-Bonhoeffer-Klinik, die sich als eine von wenigen Einrichtungen in Deutschland auf junge Alkoholiker spezifisiert hat. Jürgen Schlieckau, pädagogischer Leiter der Klinik: „Je früher einer mit dem Missbrauch anfängt, desto schlechter seine Prognose“. Was er sieht, ist das Elend am Ende, was er riecht ist die Fahne, wenn es mal wieder einer nicht geschafft hat und rückfällig geworden ist. Es ist der Geruch verlorener Hoffnungen, und der ist der schlimmste.

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