Kehrtwende ins Leben

Mit lyrischen Texten, sogenannten "Reverse Poems", möchten wir von Sucht betroffene Menschen ermutigen, die Kehrtwende ins Leben zu wagen

Für einen Suchtkranken gibt es nur einen Weg: abwärts. Bis er an seinem ganz persönlichen Tiefpunkt angekommen ist. Wir möchten mit unseren vielfältigen Angeboten von Sucht betroffenen Menschen Hilfe anbieten, um dem Leben eine Kehrtwende zu geben und frei von Sucht zu werden. Das Wichtigste für einen suchtkranken Menschen ist die Selbsterkenntnis und vor allem der Perspektivwechsel – um so der vermeintlichen Ausweglosigkeit zu entkommen. Vor diesem Hintergrund hat die Münchner Agentur Serviceplan Campaign zusammen mit Serviceplan Health & Life für das Blaue Kreuz die Kampagne „Kehrtwende ins Leben“ entwickelt. Mit einer besonderen Form der Poetik, mit sogenannten Umkehrgedichten, wird in ein- und demselben Text der Leidensweg eines Suchtkranken erfasst – der Abstieg, aber auch der Neuanfang nach dem Perspektivwechsel. Von oben nach unten gelesen erzählt der Text vom Abstieg, von der Tragödie der Sucht. Von unten nach oben gelesen erzählt der gleiche Text von der Überwindung der Sucht und neuer Lebensfreude. Mit den Umkehrgedichten greift das Blaue Kreuz drei gesellschaftlich brisante Themen auf: Alkoholismus, Medikamentenabhängigkeit und Spielsucht. Die besonderen Gedichte sollen Betroffene zum Nachdenken anregen, Mut zur Umkehr machen und auf Hilfemöglichkeiten verweisen. Umgesetzt werden kann die Kampagne mit finanzieller Unterstützung der ikk-classic.

Volksdroge Nr. 1: Alkohol

Rund 1,8 Millionen Deutsche sind alkoholabhängig und etwa 9,5 Millionen Menschen in Deutschland trinken zu viel Alkohol. 74.000 Menschen sterben jährlich allein in Deutschland an den Folgen von Alkoholmissbrauch. Einer der 1,8 Mio. Menschen ist Silvio Griesert, der nach seiner Therapie 2009 von der Blaukreuz-Selbsthilfegruppe in Radevormwald (NRW) aufgefangen wurde: „Ich habe mich dort sehr schnell wohlgefühlt und gemerkt, wie wichtig die Gruppe für mich und mein trockenes Leben ist. Die Kehrtwende und der Ausstieg aus dem Suchtkreislauf gelangen. Ich wollte mich ganz in die Gruppe einbringen, also meldete ich mich für das Suchtkrankenhelferseminar an, das über einen Zeitraum von zwei Jahren läuft. Dies war für mich eine Fortsetzung der Therapie, bei der ich noch mehr über mich selbst lernte. Als ausgebildeter Suchtkrankenhelfer bin ich inzwischen selbst Ansprechpartner im Betrieb, in dem ich arbeite, und leite in Radevormwald eine Selbsthilfegruppe des Blauen Kreuzes.“

Sucht nach dem Kick: Glücksspiel

Das Bundesministerium für Gesundheit schätzt die Zahl der Menschen mit problematischem oder krankhaftem Glücksspielverhalten in Deutschland auf 500.000. Diese Zahl bezieht sich auf die Altersgruppe der 16- bis 65-Jährigen. Bei Spielsucht ist allerdings von einer hohen Dunkelziffer auszugehen: Betroffene werden meist erst dann erfasst, wenn sie Hilfe suchen. Einer, der Spielsucht am eigenen Leib erlebt hat, ist Paul Wenzel, der insgesamt 35 Jahre lang spielsüchtig war. Er sagt: „Eine Kehrtwende kam für mich erst in Frage, als alles weg war: Frau, Auto, Führerschein, Kind. Ich wusste, wenn ich so weitermache, dann brauche ich nicht mehr lange und schlafe unter einer Brücke. Das war ausschlaggebend dafür, mich beim Blauen Kreuz zu melden.“ Im Jahr 2013 hat Paul Wenzel in Hagen (NRW) eine Selbsthilfegruppe für Spielsüchtige ins Leben gerufen und hilft nun selbst anderen Menschen, sich ihrer Sucht zu stellen und befreit leben zu lernen.

Die heimliche Sucht: Medikamente

Schätzungen zufolge sind rund 1,9 Millionen Menschen in Deutschland von Medikamentenmissbrauch oder einer Medikamentenabhängigkeit (Tablettensucht) betroffen. Zwei Drittel aller Medikamentenabhängigen sind Frauen. Frauen versuchen häufiger, ihre Belastungen im Alltag mit Hilfe von Medikamenten zu bewältigen. Ihr Anspruch, ihren Alltag trotz Beschwerden weiterhin zu bewältigen, kann in einem Teufelskreis münden. Andrea Bohrmann-Schneider musste einen langen Weg gehen, bis sie ihrem Suchtmittel „Medikamente“ den Rücken kehren konnte. Viele schmerzhafte Entscheidungen waren notwendig, um die Kurve zu bekommen. Heute kann sie frei über ihre Sucht sprechen: „Ich weiß, dass sich der Weg aus der Sucht immer lohnt. Kapitulation ist oft der erste Schritt zu neuen Lösungen. Ich habe in den letzten Jahren viele neue Entscheidungen getroffen. Suchtmittelfrei durchs Leben zu gehen war die wichtigste davon. Mit klarem Kopf kann ich viel mehr von mir an andere weitergeben.“

Die drei Umkehrgedichte stellen wir in Form von Plakaten und Motiven für den Druck auf Roll-Ups unseren Vereinen, Gruppen und Einrichtungen zur Verfügung, um damit deutschlandweit auf die Arbeit des Blauen Kreuzes aufmerksam zu machen und Betroffenen Mut zu schenken.

Weitere Infos zur Kampagne „Kehrtwende ins Leben“ mit allen drei Umkehrgedichten sowie den Lebensgeschichten von Silvio Griesert, Paul Wenzel und Andrea Bohrmann-Schneider finden Sie auf https://www.blaues-kreuz.de/de/projekte-und-veranstaltungen/kampagnen/kehrtwende-ins-leben/.