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Erfahrungsbericht

Erfahrungsbericht

"Wie hast du dich verändert"
Tabletten und Alkohol verlieren im Leben einer Frau ihre Macht

Mein Name ist Carola und mein Zuhause ist ein kleiner Ort in der ehemaligen 
DDR. Mein Leben war geprägt von Sucht und Angst. Schon als Kind hatte ich oft
und viel Angst. Später überspielte ich diese Ängste und alle anderen Sorgen
mit Alkohol. So konnten diese schwimmen, und ich ging unter. Ich wurde 
Alkoholikerin.

Längst hatte ich wieder zur Flasche gegriffen
Kurze Zeit war ich verheiratet, ebenfalls mit einem Alkoholiker, als unser
Kind geboren wurde. In dieser Zeit lebte ich völlig ohne Alkohol, weil ich
mein Kind wollte und instinktiv Angst hatte, der Alkohol könne dem Baby 
schaden. Doch diese Ehe ging zu Bruch und eine zweite Beziehung ebenfalls.
Längst hatte ich wieder zum Glas gegriffen, besser, zur Flasche. Es ging 
steil bergab mit mir. Bis die Jugendhilfe auf mich zukam und mich
schließlich vor die Entscheidung stellte: Entweder du hörst auf zu saufen, 
oder wir nehmen dir dein Kind weg. Das schlug bei mir ein!
Das fuhr mir durch alle Knochen. Den Jungen gebe ich nicht her!
Am selben Tag noch kippte ich allen Alkohol aus, den ich im Hause hatte. Es
begann ein furchtbarer Kampf gegen die Sucht, gegen das unbändige Verlangen
zu trinken.

Auch noch tablettenabhängig
Trotz, dass ich die Abstinenz durchhielt, ging ich in eine Beratungsstelle
für Alkoholiker. Dort gab man mir Faustantabletten, und ich wurde Tabletten-
süchtig. Nach kurzer Zeit fraß ich die Tabletten wie Bonbons. Die alte Angst
hatte mich wieder gepackt. Und nur die Tabletten boten mir die Möglichkeit,
über die Angst Herr zu werden.
In dieser Zeit fand ich den Weg zu einer Psychologin. Bald hatte ich zu ihr
ein sehr enges Verhältnis aufgebaut. Ich vertraute ihr. Doch plötzlich wurde
sie krank und kam nicht wieder. Und ich hatte keine Tabletten mehr!
Wieder ein furchtbarer Entzug! In all diesem Chaos begann ich zu beten,
einfach so, irgendwie. Wie so oft war ich in Gedanken beim Selbstmord oder
wieder an der Flasche! Und wie so oft verbrachte ich die Nacht vorm Kinder-
bett kniend, betend, heulend, mit dem einen Gedanken: Das Kind! Ich gebe das
Kind nicht her! Ich lass es nicht allein!
So kam ich durch den Tablettenentzug, ohne jede weitere Hilfe. Doch meine
Psychologin war fort, und ich wagte es nicht, mich einem anderen Menschen
anzuvertrauen. Wieder brach die Angst voll durch. Vor allem fürchtete ich
mich vor Männern. Ich lebte mit dieser Angst wie mit einer Behinderung. Die
kleinsten Dinge des Alltags wurden zu einem riesigen Problem.
Am schlimmsten war es, wenn ich Polizisten begegnete. Es war ein Teufels-
kreis: Schon durch meine Angst fiel ich auf, dadurch wurden sie natürlich
aufmerksam, und ich geriet erst recht in Panik. Genauso war es mit Ärzten, 
bei "grün" oder "weiß" sah ich total rot.
Doch dann fand ich eine neue Psychologin, die mir wenigstens über das
Allerschlimmste mit neuen Tabletten hinweghalf, allerdings unter strenger
Kontrolle.

Endlich das Richtige?
Kurz darauf bekam ich Anschluss an die "Zeugen Jehovas". Ich hatte nicht
aufgehört zu beten und dachte nun, bei den "Zeugen Jehovas" das Richtige
gefunden zu haben.
Dort fand ich Wärme, Geborgenheit und Familienanschluss. Zuerst glaubte ich 
was sie erzählten. Durch sie entwickelte ich ein erstes, festes Verhältnis
zu Gott. Nur stieß ich immer wieder auf Gegensätze zwischen dem, was in der
Bibel stand und dem, was "die Zeugen" mir erzählten.
Ohne darüber zu sprechen, dachte ich immer wieder: "Wie ihr Gott macht, so
ist er nicht. Ihr bastelt euch einen Gott zurecht. In der Bibel ist so viel
von Liebe die Rede. Bei euch klingt ständig ein Hass auf die Kirche durch."
Vier Jahre blieb ich bei den "Zeugen Jehovas". Doch die Angst vor Männern
blieb, und das Verlangen nach Alkohol kam immer wieder.
Dann lernte ich eine neue Arbeitskollegin kennen. Sie war Christin und
nahm mich mit in eine AGAS-Stunde (Evangelische Arbeitsgemeinschaft zur
Abwehr der Suchtgefahren = im Bereich der ehemaligen DDR die Nachfolge-
organisation des Blauen Kreuzes). Dort wäre ich nie allein hingegangen.
Sie erzählte mir davon, und ich war neugierig, Menschen kennenzulernen, mit
denen ich über mein Problem, den Alkohol, sprechen konnte. Denn jeden Tag
musste ich neu mit dem Verbot leben: "Ich darf nicht trinken, ich darf nicht!
Der Junge, ich verliere ihn sonst!" Und ich vertröstete mich auf später:
"Wenn der Junge mal groß ist, kann ich's wieder, dann werde ich normal
trinken können."
So nahm mich die neue Kollegin im wahrsten Sinn des Wortes an der Hand
mit in die Gruppenstunde. Das Klima dort tat unendlich gut! So schön war es
bei "den Zeugen Jehovas" nicht gewesen! Die Wärme, die Herzlichkeit unterein-
ander, die Fröhlichkeit. Es war, als würde ich aus einem feuchten, dunklen 
Keller in Sonne, Licht und Wärme kommen.
Die Menschen dort erzählten von Jesus Christus, der ihr Leben völlig ver-
ändert hatte. Und dann hieß es: "Ich bin frei geworden! Ich brauche nicht
mehr zu trinken!" Das kannte ich nicht. Ich wurde richtig ein bisschen nei-
disch. Wie mochte das sein, dieses "Ich brauche nicht mehr...?" Ich wusste
nur: "Ich darf nicht mehr!"
Später bot man mir an, für zehn Tage zu einer Besinnungswoche zu fahren.
Wieder hatte ich furchtbare Angst, aber ich wollte doch wissen, was eine
Besinnungswoche ist.
So gab es die ersten Auseinandersetzungen mit den "Zeugen Jehovas", die
mir erklärten, es sei Satan, der mich zu diesen Leuten gebracht habe. Da
wurde ich heftig und sagte: "Nie und nimmer glaube ich das!" Und ich fuhr
zur Besinnungswoche!"

Zehn Tage mit der Bibel
Zu dieser Besinnungswoche begegnete mir der lebendige Jesus Christus. Mir
gingen plötzlich die Augen auf, wie viel Falsches die "Zeugen Jehovas" lehrten.
Wie ein rasender Reporter begann ich, in diesen zehn Tagen, die Bibel zu
lesen. Dabei stellte ich immer wieder fest: "Aber das ist doch alles ganz
anders, als 'die Zeugen Jehovas' behauptet hatten." Noch mehr öffneten mir 
die Bibelarbeiten die Augen.
Die Besinnungswoche hielt ein Mann. Ich konnte kaum mit ihm sprechen, da ich
immer noch furchtbare Angst vor jedem Mann hatte. Aber nach vier Tagen
erlebte ich das erste Wunder. Ich hatte mich für Jesus Christus entschieden
und so konnte ich nicht nur mit diesem Leiter sprechen, sondern auch mit ihm
und einer anderen Frau zum Gebet niederknien. Dabei gab ich mein ganzes ver-
pfuschtes "Ich" an Jesus Christus. Ich begann zu begreifen, was er für uns
am Kreuz getan hat, und wünschte mir nur eins: "Jesus Christus, ich will
mit dir leben! Ich glaube, dass ich mit dir noch einmal Vertrauen wagen kann!
So viele Jahre habe ich gekämpft. Allein kann ich nichts aus meinem Leben
machen. Mach du was draus, du kannst es doch!"

Ich brauche den Alkohol nicht mehr
In diesem Augenblick spürte ich förmlich, wie die Ketten, die mich immer noch
an den Alkohol gebunden hatten, zerreißen. Praktisch erlebte ich es dann, 
als wir in einem Laden Flaschen und in der Gaststätte jemanden Bier trinken
sahen. Das machte mir plötzlich nichts mehr aus. Das Teufelszeug hatte seine
magische Anziehungskraft auf mich verloren. Am Ende dieser Besinnungswoche
konnte ich sagen: "Hier bin ich frei geworden! Ich habe nie geglaubt, das
einmal zu erleben: Ich brauche den Alkohol nicht mehr!"
Ich nahm Jesus Christus mit nach Hause. Nun erlebe ich mit ihm täglich
neue Wunder. Ich kann die unbeschreibliche Veränderung, die geschehen ist,
kaum fassen, und doch ist sie wahr. Ich, die voller Angst und Misstrauen war,
verrufen als "Assi", vergammelt und "halb verrückt", habe heute eine wunder-
bare Gemeinschaft gefunden. In unserer Kirchgemeinde und in unserer AGAS-
Gruppe, in der ich natürlich bleibe.

Ich habe keine Angst mehr
Heute kann ich mit den Menschen draußen reden, sie sehen mich freundlich an.
Und wenn ich einem Polizisten begegne, stelle ich immer aufs neue verwundert
fest: Ich habe keine Angst mehr! Ich kann in dieser einst so schrecklichen
grünen Uniform den Menschenbruder sehen!
Als ich dem Leiter unserer Besinnungswoche nach Monaten wieder begegnete,
umarmte ich ihn herzlich. Eine andere Frau, die mich von dieser Besinnungs-
woche her kannte, rief freudig aus: "Hast du dich aber verändert! Ist das
denn möglich?!" Und ich konnte nur antworten: "Ich war's nicht! Ich hätte
mich nie verändern können! Das war Jesus Christus!"
Auch an meinem Arbeitsplatz fiel auf, dass ich immer weniger Angst hatte.
Und man fragte mich: "Was hast du denn gemacht? Wie bist du die Angst losge-
worden?"
Offen bekannte ich: "Ich habe gar nichts gemacht! Ich habe mein Leben Jesus
Christus, dem Sohn Gottes, übergeben. Ihr glaubt nicht an ihn, aber mir hat
er die Angst weggenommen!"

Die schönste "Abhängigkeit"
Und heute ist es mir, als würde die Bindung zu ihm täglich immer fester.
Jetzt weis ich, dass ich von ihm abhängig bin. Das ist die schönste Abhängig-

keit, die es gibt, eine Freiheit, wie sie niemand sonst geben kann.
Doch ich kann und will auch nicht die furchtbare Tiefe vergessen, die hinter
mir liegt. Damit ich niemals vergesse zu danken.
Heute noch geschieht es, dass mir beim Lesen in der Bibel plötzlich Schuld
aufgeht, die noch nicht bereinigt ist.
Immer wieder passiert es, dass eine Bibelstelle wie ein Erdbeben in mir wirkt,
weil ich sie plötzlich im tiefsten Sinn begreife.
Ich spüre Gottes Wirken bis in die kleinsten Dinge meines Alltags hinein.
Anfangs dachte ich oft: "Kann man denn auch um so etwas Bedeutungsloses
beten?" Inzwischen weiß ich: "Ja, wir dürfen auch um die ganz kleinen Dinge
beten."
Im April 1989 wurden mein Sohn und ich getauft. Wir durchlebten diesem Jahr
das erste Mal richtig Ostern. 
Am liebsten möchte ich in die Welt hinaussingen: "Freut euch und jubelt: 
Jesus lebt!" Und es ist herrlich, gerade in dieser Zeit, in der alle Angst
haben und keiner weis, was wird, ganz sicher zu wissen: Der Grund, auf dem
ich stehe, wankt nicht! Der bricht nicht ein!
Das Leben läuft auch jetzt nicht ohne Probleme. Aber es ist alles so anders
als vorher. Weil da einer ist, der immer einen Weg weiß.

Carola
Dieser Artikel stand im "Familienkalender 1992", Seite 30 - 34, 
des Blauen Kreuzes.
Carola ist heute noch in unserer Gruppe und durfte in diesem Jahr ihren
16. Freiheitstag begehen, der natürlich durch die Gruppe entsprechend
anerkannt wurde.
Sie lebt auch heute noch ohne Alkohol und vermisst ihn in keinster Weise.

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